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Gelungener Projektauftakt von gedenkort-T4.eu
2010-12-03 01:00
gut gefülltes Auditorium in der Topographie des Terrors
Vortrag des polnischen Partners von gedenkort-T4.eu
Bundesbehindertenbeauftragter Hüppe im Gespräch mit Zeitzeuge Stephan Schmidt und Projektsteuerer Stefan Schenck
Am 03.12.2010 fand das erfolgreiche Auftakttreffen zum Projekt gedenkort-T4.eu in der Stiftung Topographie des Terrors statt. Mit gedenkort-T4.eu wird binnen Jahresfrist ein VIRTUELLES, INTERAKTIVES und INKLUSIVES Mahnmal zur Information und zum Gedenken an die „Euthanasie“-Mordopfer im Nationalsozialismus entstehen.
Prof. Andreas Nachama, der geschäftsführende Direktor der Stiftung Topographie und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von gedenkort-T4.eu und Frau Prof. Barbara John, 1. Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, begrüßten die gut 70 Anwesenden aus Politik und Wissenschaft, der Berliner Behindertenhilfe und Selbstvertretern.
In ihren Grußworten unterstützten Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Dr. Ulrich Baumann, stellvertretender Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und Günter Jahn, der 1. Vorsitzende der Lebenshilfe Berlin, den interaktiven und insbesondere auch den inklusiven Ansatz des Projektes. Hubert Hüppe stellte zudem den Bezug zwischen dem virtuellen gedenkort-T4.eu, sowie dem Berliner Runden Tisch „Aktion T4“ und dessen Aktivitäten für den Bau eines realen Mahnmals her.
Als erstes Beispiel für einen möglichen Inhalt der Internetseite gedenkort-T4.eu präsentierte Stephan Schmidt „Erinnerungen aus der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar – Juni 1945 bis Okt. 1946“ als ein Zeitzeugnis. Der Sohn von Prof. Dr. Gerhard Schmidt, der als Psychiater viel für die Dokumentation und Aufklärung über die Euthanasie-Morde direkt nach dem Ende des Nationalsozialismus geleistet hat, hatte als kleiner Junge miterlebt, wie sein Vater gegen viele Widerstände versuchte, in den Anstalten wieder für menschliche Verhältnisse zu sorgen.
gedenkort-T4.eu will diesen letzten Zeitzeugen, recherchierenden Familien-angehörigen und interessierten Bürgern in vielen Ländern Europas die Möglichkeit geben, unabhängig von Ort, Sprache und Zeit, Ihre Geschichte, Ihre Meinung, Ihre Beiträge zu präsentieren. So präsentierte z.B. der polnische Historiker Artur Hojan in einem 5-minütigen Film bisher teilweise unbekanntes Material über die „Euthanasie“-Morde im Gebiet „Warthegau“ im heutigen Polen.
Dass das Thema der Ermordung von tausenden von Patienten mit geistiger oder psychischer Behinderung in Polen bisher noch weitgehend unerforscht ist, zeigt auch die bereits in 2009/ 2010 vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin mit dem polnischen Partnerverein „Dialog-Współpraca-Rozwój (DWR)“ durchgeführte Übergabe von Sterbebüchern mit 5.000 Namen von Opfern der Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde an das Berliner Landesarchiv. Hieran erinnerte Piotr Maksymczak, Vorstandsvorsitzender von DWR, der nun auch Partner bei gedenkort-T4.eu ist.
Walburga Fröhlich erläuterte für den Grazer Verein atempo, den österreichischen Partner bei gedenkort-T4.eu, ihre Aufgabe der Übersetzung dieser schwierigen Thematik in verständliche, leichte Sprache. Dadurch sollen im Ergebnis Menschen mit einer geistigen Behinderung sich erstmals über das Thema „Euthanasie“-Morde informieren können, und so eine Chance erhalten, selber zu gedenken.
Projektinitiator Reinald Purmann und Leiter der AG gedenkort-T4.eu forderte in seinem Schlusswort eine Beteiligung Aller am Aufbau der Seite. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema der „Euthanasie“-Morde müsse über die Grenzen von Geschichtswissenschaft und Ethik hinaus, von der ganzen Gesellschaft geführt werden. Insbesondere die Jugend, aber auch Kunst und Kultur, Politik und die europäische Bürgerschaft sollten sich aktiv einbringen.
Beim anschließenden Zusammentreffen im benachbarten Martin-Gropius-Bau unterstützten viele Besucher auch den Ansatz von gedenkort-T4.eu, nicht nur geschichtliche Fakten zusammentragen, sondern auch eine Brücke zu Themen der Gegenwart und der Zukunft schlagen zu wollen. So will z.B. die Leiterin des Berliner Theater Thikwa mit ihren Schauspielern mit und ohne geistige Behinderung im nächsten Jahr ein Stück über die NS-Euthanasie erarbeiten, das zugleich ein Plädoyer für jede Form von Behinderung als Teil gesellschaftlicher Vielfalt ist.
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